Der arme Dichter
Erst neulich traf ich einen Mann,
der nur in Versen sprechen kann.
Ich fragte ihn, woher das rühre,
dass ich nur reimend ihn erführe,
worauf er bitt're Zähren weinte
und poetronisch schluchzend meinte:
Als er in Windeln noch gesessen,
hätt' Schillers Glocke er gegessen,
als Taschenbuch, Auflage Hundert,
was ihm ganz wunderbar gemundert.
Danach kam Goethes Faust in Versen,
dann der Heinz Erhardt mit Diversem.
Zu jedem Löffelchen mit Brei
gab's eine kleine Dichterei.
So lautete sein erster Satz
"Wauwau und Katz, oh Ringelnatz",
was zu Erheiterungen führte,
auch seine Umwelt sehr berührte.
Zur Schulzeit dann, man kann sich' denken,
versuchte man, ihn abzulenken;
doch blieb er einsam in den Jahren, -
kein Kind verstand sein Dicht-Gebaren.
Sobald er anhub zu erzählen,
begann er mit dem Silbenzählen.
Das musste stimmen und sich reimen.
Sein Versmaß war im Allgemeinen
perfekt. - Doch wurd' dies nicht erkannt
und eeer ... belächelt und verkannt.
So sprach er bald kein einzig' Wort
- und dichtete im Kopfe fort.
Sein Abitur schrieb er mit Einsen
und in perfekten Klapphornreimsen.
Als Dichter, pausenlos und stetig
mit Gänsekiel und Tinte tätig,
ward er beliebt, doch auch bekichert
als Einer, der nicht richtig tickert,
da Vers um Vers ihm stets entfleuchte,
sobald er Wort und Mund gebräuchte.
Dann, bei den Damen - alle Achtung! -,
gewahrte er vermehrte Schmachtung.
Sie lagen ihm zu Füßen bald.
Da ließ er kaum ein Herzchen kalt.
Er nutzte diesen Liebesrausch
für heiße Liebesdichtkunst aus
und wählte sich aus dem Gefolge
das holde Mägdelein Isolde,
das verseschmiedend mit ihm lachte
und ihn zwei Jahre glücklich machte.
Isolde war ein Frauenzimmer,
- so hielt die Liebe nicht für immer;
denn - reimen tags und in den Nächten
ist nicht, was Frauenzimmer möchten.
Drum ging sie fremd, nicht hin und wieder,
nein, dauerhaft, ja, immer wieder.
Dem Dichter blieb nur ganz allein
die Poesie zum Einsamsein.
So tat er's tränenreich mir kund
und hält für immer nun den Mund.
© Insu