... und zwei seiner Begleiter konnten dem Überfall
entkommen. Alle anderen Männer waren auf bestialische
Weise niedergemetzelt worden.
Ihm fröstelt, trotz der mörderischen Hitze, bei dem
Gedanken an diese Bluttat. Er hat gerade noch Zeit,
einige Gedanken an die erfolgreichen Geschäftsabschlüsse,
die er in den letzten Tagen tätigte, zu verwenden. Es
ging um Salzladungen ins ferne Nowgorod; da reißt
ihn die Stimme des Hauptmanns in die brutale
Wirklichkeit zurück: „Herr wir haben ungefähr zwanzig
dieser Strolche vor uns!“. „Die haben sie wohl erkannt
und können sich deshalb über einen Angriff nicht einig
werden“. „Ist ja verständlich, denn selbst die Dänen oben
im Norden reden über ihren unnachahmlichen Schwertstreich.“,
fügt er trotz des Ernstes der Situation lächelnd hinzu.
Der Kaufmann besinnt sich nicht lange: „Wir greifen an,
sie sind zwar in der Überzahl aber von denen nehme ich
es mit Dreien auf.“, meint er abfällig „Den Rest erledigt
ihr!“. „Wir machen keine Gefangenen.“, sagt er nur noch
voll wilder Entschlossenheit, dabei schon auf seinen edlen
Rappen aufsitzend.
Blitzend fliegt sein Langschwert aus der Scheide, und schon
haben der Söldnerführer und seine Kohorte ebenfalls das
Schwert gezogen. Wie ein unbändiges Sturmgewitter fegen
sie in die Bande von Raubgesindel, die keine Zeit der
Besinnung findet, und verrichten mit ihrem Schwert
unnachgiebig ihr blutiges Handwerk.
Man kennt keine Gnade. Der gellende Ruf des Hauptmanns,
der den Befehl: “Keine Gefangenen!“, wiederholt, geht im
Kampfgetümmel fast unter. Jedoch jeder der Söldner, bei
der Hansestadt Lübeck verdingt, weiß selbst, was er
zu tun hat, und so gibt es kein Pardon. Die wenigen, die
sich im eigenen Blut neben dem ihrer Genossen winden und
deren Seele noch nicht ganz entfleucht ist, werden von
ihren Bezwingern alsbald erlöst. Sie geben ihnen, nachdem
sie sich geflissentlich bekreuzigt haben, den Gnadenstoß,
im Bewusstsein, natürlich in Talern berechnet, einer guten
Sache gedient zu haben.
So schnell wie der Spuk begonnen hat, ist er auch
schon vorbei. Die Soldaten, blutbesudelt und äußerlich
in einem erbarmungswürdigen Zustand, versorgen ihre
Wunden oder sammeln die erbeuteten Waffen ein, kümmern
sich aber kaum um das tote Raubgesindel selber.
Der Edelmann ist der Erste, der wieder zur
Tagesordnung übergeht: “Hauptmann zu mir!“,
ertönt es durch den wiederum in der Mittagsglut
erstarrten Wald. „Wir dürfen keine Zeit verlieren.“,
verkündet er mit entschlossener Stimme. Sagt es und
schwingt sich auf seinen Rappen, der schon unruhig mit
den Hufen stampfend seinen Herrn erwartet.
Nichts mehr lässt in der nunmehr eingetretenen Stille
vermuten, dass hier gerade in einem mörderischen Gefecht
über Leben und Tod entschieden wurde. Nur ein Adler, der
einsam hoch oben am Firmament seine Kreise zieht, mischt
sich mit gellendem Schrei in den gedämpften Aufbruchslärm...
Ideale sind wie Sterne,
Man kann sie nicht erreichen,
Aber man kann sich an ihnen orientieren.
(Carl Schulz)